Militärmusik als Pflanzschule ziviler Musikpflege Nume nid gsprängt, aber gäng e chly hü! Die bernische Militär-organisation von 1835 setzte für jeden Bataillonskreis eine Auszugsund eine Landwehr-Feldmusik ein. Immerhin lesen wir nicht: «es müssen», sondern, den vorhandenen Möglichkeiten entsprechend, «es können...» Die besondere Verfügung des bernischen Militärdepartements über die Feldmusiken trägt das Datum des 13. Mai 1836 und schreibt folgendes vor: Als Musikanten sind Freiwillige anzunebmen, die ihr Instrument (mit zwei Ausnahmen) selber anschaffen, ebenso den Ordonnanztornister und das Ordonnanzseitengewehr. Anzuschaffen haben sie ferner die Uniform, für die ihnen aber der Staat zwei Dublonen, ca. 200 heutige Franken, vergütet; den Kaput liefert jeweilen für die Dauer eines Dienstes der Staat leihweise. Wer über die Auszügerzeit (28. Altersjahr) hinaus freiwillig im Auszug Dienst leisten will und hiefür angenommen wird, kann sich für 4 Jahre verpflichten und erhält vom Staate das Geld für eine neue Uniform. Auf Staatsbeitrag hat ebenfalls Anspruch, wer über das Landwehralter (39 Jahre) hinaus in einer Feldmusik Dienst leisten will. Über die Aufnahme in die Musik entscheidet ein Examen, das der Kandidat vor dem Musik-offizier, dem Kapellmeister und dem Instruktor ablegt. Ein Examen vor den nämlichen Instanzen hat auch jedes Instrument zu bestehen: der Musikant darf es erst kaufen, wenn es von ihnen gutgeheißen worden ist, d. h. wenn es zu den übrigen Instrumenten des Musikkorps paßt. Geübt wird im Sommer, März bis Oktober, alle vierzehn Tage, im Winter monatlich einmal, und zwar jedesmal 3 Stunden, davon eine im Freien, mit Marschieren, notabene in «anständigen» Zivilkleidern. Wer zu spät zur Übung kommt, zahlt 5 Batzen, das wären heute 3 Franken. Wer unentschuldigt wegbleibt, zahlt fürs erste Mal 15 Batzen, fürs zweite Mal 20, fürs dritte 30 Batzen; beim vierten 30 |
Male spaziert er ins Gefängnis. Der Instruktor erhält für eine dreistündige Übung 40 Batzen. Oberster Chef der Bataillonsmusik ist der Musikoffizier, der vom Kreiskommandanten aus der Zahl der Offiziere des Bataillons ernannt wird und die Auswahl der einzustudierenden Musikstücke bestimmt. Er gehört der Musikkoinmission an, die vom Kreiskommandanten präsidiert wird und drei weitere Mitglieder hat, die vom Offizierskorps des Bataillons aus seiner Mitte zu wählen sind. Der Leiter der Bataillonsmusik heißt Kapellmeister und hat AdjutantUnteroffiziersrang. Falls er die zivilen Übungen nicht selber leiten kann, so besorgt dies ein Instruktor mit Feldweibelgrad. Außerdem hat jede Feldmusik einen oder zwei Unteroffiziere. Aus den Bußen, den freiwilligen Beiträgen der Bataillonsoffiziere, allfälligen weiteren Geschenken (die im Emmental sicher nicht spärlich ausfielen) und aus den Beiträgen des Staates wird die Bataillonsrnusikkasse gespiesen. Sie zahlt die Musiknoten und schafft außerdem die Cymbalen und die Ophikleide an. (Die Ophikleide waren Baßinstrumente nach dem Prinzip der alten Serpente; sie wurden wenig später durch die Tuben ersetzt, d. h. die heutigen B- und Es-Bässe.) Nun waren allerdings die Militärmusiken anno 1836 nichts Neues mehr; wie der Leser weiß, kannte man ja im Bernbiet den Genuß, den eine mehrstimmige Bläserinusik bieten kann, schon seit der Franzosenzeit. Aus dem Versuchsstadium, das immerhin, nach Bernerart, eine Generation gedauert hatte, war man 1836 nunmehr hin. aus. Doch bestanden zwei Geschmacksrichtungen, eine konservativere (.die Zeit läuft schnell!), die «Holz» als Hauptbestandteil des Klangkörpers haben wollte, und eine modernere, die eine einheitliche Blechbesetzung vorzog. Die Verordnung vom 13. Mai 1836 trug dieser Sachlage dadurch Rechnung, daß sie es jedem Kreiskommandanten freistellte, in seinem Kreise eine «Harmoniernusik» oder eine «Blechmusik» zu organisieren. Verzeichnisse über die durch besagte Verordnung ins Leben gerufenen Feldmusiken sind nicht mehr vorhanden, ebenso wenig Berichte über ihre Tätigkeit. Sicher ist aber, daß diese nunmehr regie. mentarisch festgelegten und in ausführlichen Vorschriften verankerten Feldmusiken das zivile Musikleben ganz beträchtlich beeinflußt haben; die Feldmusiken lieferten, wie angenommen werden darf, den 31 |
Kern zu den Musikgesellschaften, die nun nach und nach ins Leben traten. Eine interessante Einzelheit noch: die Kreiskommandanten durften besondere Vorschläge für die Uniformierung ihrer Feldmusiken einreichen. Damit kamen die Regierung und die militärische Oberbehörde örtlichen Sonderwünschen entgegen; sie nahmen geziemende Rücksicht auf den Trompeterstolz und auf den einstigen Brauch, die Spielleute in die Farben des Ortes oder der Landschaft zu kleiden. Ob in der Uniformierung der Emmentaler Spielleute derartige Sonderwünsche noch zur Auswirkung kamen, das läßt sich leider aus den Akten nicht mehr ermitteln. 32 |