Fröhliches Kunterbunt Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst. Die Gabe, Widerwär. tigem oder doch allzu Prosaischem noch eine lustige Seite abzugewinnen, ist Musikanten und Sängern ganz besonders eigen. Aus den älteren Zeiten des Vereins ist, abgesehen etwa von der «Schnurrantia von 1867», wenig mehr überliefert, das hier einzureihen wäre. Aus den letzten rund 70 Jahren dagegen haben Veteranen und Aktive dem Chronisten an einem sonnigen Herbstvormittag im Bärenstübli zu Sumiswald allerhand zu erzählen gewußt. So etwa von Pech und Glück an den Musiktagen. Pech war es, daß in Langnau anno 1901 das Chorstück «Hymne» von Gluck «abverbeite», was der Kritiker vom «Emmenthaler-Blatt» zu der kurzen, vielsagenden Glosse veranlaßte: «Armer Gluck, hättest du das gehört!» Ob die Spieler noch nicht gut genug oder schon zu gut 54 |
aufgelegt waren, als sie zum Chorstück antraten, mag ununtersucht bleiben; Tatsache ist aber, daß ein Bassist im Übermut, statt wie üblich in sein Mundstück zu blasen, kräftige «wuw, wuw» hinein-preßte. Aber an einem späteren Langnauer Musiktag wurde diese Scharte glänzend ausgewetzt. Denn der gewählte Einzelvortrag, die «Rübezahl»-Ouvertüre, saß, und zwar gründlich. Weil der Musiktag verschoben worden war, konnte Dirigent Robert Dreyer nicht mit. Als Ersatz sprang ein Lehrer ein, der als Orchesterdirigent sachverständig war, aber nur bei einer einzigen Probe mitmachen konnte. Beim Vortrag in Langnau geriet er denn auch richtig aus dem Konzept... die Musik aber nicht, «ztrutz em Dirigänt» so vorzüglich war das Stück eingedrillt! * An Originalen war die Sumiswaldmusik nie arm. Fähnrich Fritz Scheidegger lebt noch mit manchem gelungenen Ausspruche in der Erinnerung fort. Vor 1903 hatte die Gesellschaft noch kein eigenes Banner; wenns galt, entlehnte man jeweilen eine alte Schützen-fahne. Die war zwar nicht viel mehr als ein «Hudel», aber Fritz war trotzdem ungeheuer stolz darauf. «Gäll, Muetter, i bi ne Hängst !» rie.f er einst seiner Frau zu, als er in Grünen, vom Musiktag heimkehrend, aus dem Zuge stieg; und «Söll di frässe?» fauchte er gut gelaunt, als er ein andermäl beim Aussteigen mit einem Fraueli zusammenplötschte. Daß er bei einem solchen Anlaß seine «Häntsehen» verlor und ein andermal, in Bern, mitsamt der Fahne dem Verein davonlief, gehört zu den lücken des Schicksals, wie ihnen just gute Seelen ausgesetzt sind. War Scheidegger stolz auf sein Banner und seine Handschuhe, so Tambour Ulrich Schöni, vulgo Huttli-Uelleli, auf seine Epauletten. Von ihm wird erzählt, daß er mitunter, an einem Wahlabend etwa, ziemlich windschief heimkam, die Küchentüre nicht fand und dann mit seiner Eheliebsten urchig-dramatische Kurzgespräche führte. Daß ihn nebst der einheimischen Musikgesellschaft auch diejenige von Rüegsbach nötig hatte und dementsprechend schätzte, erfüllte ihn mit Selbstbewußtsein, brachte ihm aber auch Konflikte, wenn er gleichzeitig an beiden Orten hätte trommeln sollen. In einer «Dischpidatz», die einst deswegen in einer Übung der hiesigen Musik 55 |
ausbrach, warf ihm Peter Eggimann als letztes Argument ein Bierglas an. Das half. Aber zur Ehre des Vereins sei es gesagt: derartige «treffende» Argumente und «schlagende» Beweise waren in Sumiswald sehr, sehr selten. Gebräuchlich ist hier sonst der landesübliche, trockene Humor, auch Mutterwitz geheißen. Etwa so wie an jener Probe, als der Vizedirigent ein ungerades Mal den abwesenden Robert Dreyer vertreten sollte und wollte, aber nicht zureehtkam, bis Fritz Sommer mit den Worten: «Ufghört bsehütte; Sehlüüch wäsche! » Schluß machte und ein früher Feierabend den Leiter und die Bläser erlöste. * Die gute alte Zeit dieser Begriff hat, mit heutigen Augen gesehen, namentlich zwei Kennzeichen: niedrige Preise (und dito Löhne!) und schlechte Verkehrsverhältnisse. «We me» anno 1900 «mit eme Feuflyber im Sack a nen Alaß iseh, so het me gmeint, wie men agleit syg, u hets fei echly ehönne la flädere», erzählt Karl Grunder in seinem «Göttiwyl». Auch um jene Zeit war es (1889), als unsere Musikgesellschaft, auf eine Hauptversammlung hin, ein Kalb für ganze 15 Franken erstand. Das Tierlein wurde gemetzget, und bei Wirt Haslebacher in der Sehieferen gabs eine gute und währschafte Mahlzeit. Den ansehnlichen Rest des Fleisches verkaufte man dem Wirt, aß folgenden Tages wiederum davon, und siehe, es reichte noch zu weiteren Portionen für zwei oder drei Übungsabende. So daß im Publikum die Frage laut wurde, «gob ds Chalb no einisch jung gha heig !». In der «telephonlosen, schrecklichen» Zeit, die noch gar nicht weit zurückliegt, war es oft recht umständlich, den Mitgliedern die Verschiebung einer Probe oder die Abhaltung eines Extraanlasses noch rechtzeitig mitzuteilen. Und doch durfte niemand wegbleiben, weil jede Stimme nur einfach besetzt war. Um dem getreuen Adolf Fankhauser, der 5 km weit weg wohnte (im Brauch ob Rüegsbach), Bescheid zu sagen, wurden jeweilen Berittene mobil gemacht, und ihr Weg über stotziges Gelände war, zur Winterszeit besonders, nicht ungefährlich. Oft genug hat Fankhauser den Weg von Neuegg bis zum Übungslokal im Dauerlaufsehritt zurückgelegt. Noch 1909 oder war es gar erst 1925? mußte vor dem Ausflug auf die Schynige Platte vereinbart werden: «We mer denn göh, 56 |
wie abgmacht, tuet de der Schmutz Ärnst am Morgen um die u die Zyt alphorne.» Das Alphorn erklang zur festgesetzten Stunde, die Reise ging von Stapel unter einem anhänglichen Dauerregen, der die Musikanten auf die Schynige Platte und zurück begleitete. Was Ernst Schmutz da alles zu hören bekam, das möge im Dunkel des Vergessens ruhen; es waren endlose Variationen über das Thema: «Der Knabe, der das Alphorn blies, der trägt die Schuld davon.» * Humor ist, wenn man trotzdem lacht, auch wenn der Wettergott einen schlimmen Streich spielt. Als die Gesellschaft am 8. Heumonat 1900 nach einer Wagenfahrt Sumiswald-Riedbad und dem Aufstieg über das Enzi auf dem Napf anlangte, lag dort der Schnee einen Fuß hoch. In der Nacht gingen einige Musikanten überhaupt nicht zu Rette, und auch die übrigen kamen nicht zum Schlafen. Um 3 Uhr morgens schlug der Tambour Tagwache, im bloßen Hemd auf seinem «Glieger» stehend; dann gings hinaus in den dämmernden Morgen zu einer übermütigen Sc~eeballschlacht... Ob die Trommel dabei etwas abbekommen hat das hat man dem Chronisten nicht verraten. Dagegen wußte ein Veteran (war es nicht der Paukist selber?) zu erzählen, wie einmal bei der Abfahrt zu einem Schlitten. ausflug eine Schlittenlande ein Loch ins Kalbfell stieß. Der Kalbfelltrompeter wußte sich aber trotzdem zu helfen, als es hieß: «Erst hat er sieben Takte stumm, dann steht es in der Noten: Bumm ! » Tragisch-heitere Erinnerungen sind mit dem Schellenbaum verknüpft, dem «Glögglispiel», einem Instrument, das glanz- und Hang-volle Momente erlebt hat und heute zwar ausrangiert ist, aber, wie der Eichenkranz von Herzogenbuchsee, zu den ehrwürdigen, sorglich gehüteten Vereinsreliquien gehört; ein Geschenk von Fritz Lehmann, Gerbermeister in Grünen. Auf welcher Reise war es doch, wo der Glögglispielmann beinahe aus dem Schiff gefallen wäre und schon im Wasser hing? Und was geschah «neue scho» bei der Heim-reise vom Langnauer Musikfest? Nach alter Väter Sitte legte man einen Teil des Weges auf Pferdefuhrwerken zurück, und.., kurz vor Ranflüh fiel der Schellenbaum samt Lehmann hinter den Rossen vom Wagen. Das Instrument mußte repariert werden und hat dann noch manchen Strauß ausgehalten. * 57 |
Manchen Strauß, und auch manchen fröhlichen Ulk! Oder war der Schellenbaum damals noch nicht dabei 1886 oder vorher als... aber der Chronist erzählt das lieber dem ältesten Ehrenmitglied Gottfried Schärer nach: An einem schönen Sonntagnachmittag wollte die Musik nach dem Oberwald. Schneidig und stramm spielten sie einen Marsch durchs Dorf hinauf. Aber bald schon gab es Halt. Nationalrat Karrer stand hinter seinem Gartentor, riß es auf und befahl freundlich: «Herein-spaziert, meine Herrschaften!» Gastfreundlich bewirtet, wofür sie sich mit gefühlvoller Musik revancbierten, blieben die Mannen unter Karrers Trauerweide, bis vom Kirchturm die dritte Nachmittagsstunde schlug. Für den Oberwald langte jetzt die Zeit nicht mehr; immerhin kamen unsere Mannen noch bis Kneubühl. Der Pauker packte seine Pauke auf ein Räf, und auf dem Weg nach Engelberg kletterte er mit seiner Last auf einen Kirschbaum. Im Engelberg gab es nochmals Aufenthalt. Diese Musikantenfahrt und andere hievor und hienach erzählten Erlebnisse möchten indessen nicht so aufgefaßt werden, als wäre geräuschvolle Alkoholseligkeit ein Ideal der Sumiswalder Musikjünger und des lebensfrohen Trompetervölkleins aller Lande und Gaue überhaupt Das hieße ihnen Unrecht tun. Sie huldigen freilich den Dichterworten «Saure Wochen, frohe Feste» und «Man muß die Feste feiern wie sie fallen». Und diese Lebensweisheit wird man den Mannen nicht ankreiden wollen, die im geschäftigen und aufreibenden Alltag eben auch ihren Mann stellen! Auf einem Ausflug nach Mühleweg geschah es, daß Hans Oberli einen Grittibenz aus Züpfenteig erzwirbelte. Die ansehnliche, appetitliche Beute gedachte er heimzubringen; er wickelte sie in Papier ein, band eine Schnur darum und schwang sich das Paket auf den Rücken. Solch löblich-haushälterisches Tun fordert zu Schabernack heraus: ein Kamerad hielt ein Streichholz an das Papier. Erschrok. ken warf Oberli die flammende Last von sich, und das Löschen soll eine mühsame Sache gewesen sein. Teilnahmsvoll und ergriffen aßen die Kollegen den angesengten Grittibänz gemeinschaftlich auf. * 58 |
Wenn der Chronikschreiber die «Schnurrantia von 1867» als Eintagsfliege bezeichnet hat, so stimmt das nicht «düruse». Ältere Aktive, namentlich aber die Veteranen, erzählen gelegentlich mit vergnügtem Schmunzeln vom «Wurstlinger Musikfest», einer durch und durch ulkigen Unterhaltungsnummer im Stile einer nun schon zwei Weltkriege zurückliegenden Zeit; ein übermütiger Scherz, der jeweilen den in feuchtfröhlicher Stimmung selbstverständlichen Anklang fand. Wer sich näher dafür interessiert, mag sich Einzelheiten von Mannen berichten lassen, die jeweils mitgemacht haben... Das Ganze war in Haltung und Gestaltung durchaus «von draußen rein», wie ja beispielsweise auch Gesangvereine damals an Familien- und heiteren Unterhaltungsabenden mit ähnlichen Scherzen aufzuwarten pflegten. Seither ist es im Berner. und Schweizerland vorwärts und aufwärts gegangen mit Geschmack und Stilgefühl in musikalischen und dramatischen Dingen. Man schätzt heute die gute einheimische Kost, bodenständig und währschaft; die Fröhlichkeit kommt dabei keines. wegs zu kurz. 59 |